Silent Brass: 20+ Jahre

1996 war ich noch ein junger Student, gerade einmal im zweiten Semester meines ersten Diplomstudiums (Orchestermusik). Für Rundfunkaufnahmen mit dem Bayerischen Rundfunk probte ich in Bayreuth mit einem Projektorchester und einigen Gesangssolisten (hier) für die Aufzeichnung der mehrere europäische Länder einbeziehenden Produktion einer tschechischen Oper (ich glaube, der Titel war „Im Brunnen“, aber es ist einfach schon so lange her…).

Kauf auf Empfehlung

Einer der anderen Musiker, ein Hornist, war gleichzeitig der Chef eines Musikgeschäfts in Bayreuth. Während einer Pause erzählte er mir von einer tollen technischen Neuerung: Yamaha hatte einen Übedämpfer für Trompete entwickelt, der fast frei vom sonst üblichen (und äußerlich hinderlichen) Rückstau (die Luft, die man vorne in die Trompete reinbläst, muss ja irgendwo wieder herauskommen) funktionierte. Zusätzlich konnte der Dämpfer mit einem elektronischen Gerät verbunden werden, über das man sowohl eine externe Klangquelle einschleifen als auch mit einstellbarem Raumhall spielen könne. Der Clou aber war, dass all das nach außen hin so leise blieb, dass man damit auch problemlos in einem Hochhaus üben könne, ohne die Nachbarn zu stören.

Ich wohnte damals im siebten Stock eines Hochhauses, außerdem war es zu der Zeit mein „Beruf“, jeden Tag mehrere Stunden mit Üben zu verbringen. Die Problematik war mir mehr als bewusst – und ich wollte auch nicht dauernd zum Haus meiner Eltern im nächsten Ort weiterfahren, um dort üben zu können… Also kaufte ich mir das angepriesene Gerät, es hieß Silent Brass.

Erfahrung

Das war vor 22 Jahren. Ich habe den Dämpfer immer noch. Erst letzte Woche habe ich täglich im Urlaub mit ihm geübt. Ich verwende zwar seit Jahren nicht mehr das elektronische Zusatzgerät (das „Studio“), weil ich dafür neben dem Dämpfer auch die ganzen Kabel, sechs (!) AAA-Batterien (bzw. Akkus und ein Ladegerät) und einen Kopfhörer mitschleppen müsste. Aber es klappt eben auch ohne den „Technik-Kram“, nur auf akustischem Wege.

Modernisierung

Vor ein paar Monaten kam nun eine neue Version des bewährten Systems heraus. Ein Kollege in der Schule, ebenfalls Blechbläser, erzählte mir davon. Doch ich vergaß es wieder. Bis ich letzte Woche im Urlaub eben wieder täglich mit dem „alten“ Silent Brass übte. Ich erinnerte mich, mein Interesse war geweckt, also recherchierte ich ein wenig – und tatsächlich berichten viele Benutzer, dass es nochmals deutlich besser geworden sei. Nun war ich wirklich gespannt, am Donnerstag bestellte ich das Set, gestern wurde es geliefert, heute habe ich das erste Mal damit geübt.

Mein erstes Fazit: „WOW!“ Insgesamt liegen gut 22 oder 23 Jahre technischer Entwicklung zwischen den beiden Geräten, es war mir klar, dass es hier und da Verbesserungen geben musste, doch das Ausmaß und die Stimmigkeit der Innovation hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit überraschte mich dann doch.

Vergleich zwischen altem und neuem Modell

Um allen, die es interessiert, einen Einblick zu geben, habe ich ein paar schöne Foto-Vergleiche angestellt, die sehr schnell zeigen, was sich getan hat.

Schon der bloße Blick auf die Verpackung zeigt, dass das alte Modell deutlich größer war (klar lag das auch an der Art, wie alles im Karton untergebracht war, dennoch ist die Dimension eine gänzlich andere):

Links das alte, rechts das neue Modell
Links das alte, rechts das neue Modell

Der Verpackungsinhalt ist nicht allzu unterschiedlich, wenn man sich anguckt, was grundsätzlich an Teilen enthalten ist:

Lediglich das Netzteil war beim alten Gerät mitgeliefert, so eines ist heute nicht mehr vorgesehen (kein Wunder, wer möchte beim üben maximal 1,5 Meter von der Steckdose entfernt stehen).
Lediglich das Netzteil war beim alten Gerät mitgeliefert, so eines ist heute nicht mehr vorgesehen – kein Wunder, wer möchte beim Üben maximal 1,5 Meter von der Steckdose entfernt stehen?

Wie man gleich sehen kann, gab es am elektronischen Teil viele Einstellmöglichkeiten, die beim Üben aber tatsächlich kaum ins Gewicht fallen, deswegen wurde der Großteil davon in der Revision abgeschafft. Aus der Praxis heraus weiß ich sicher, dass das kein Verlust ist, denn „zu viele Einstellungsmöglichkeiten“ verleiten fast immer dazu, „zu viel daran herumzuspielen“ – man sollte sich aber eher auf das Üben konzentrieren, nicht an der Technik herumbasteln. Ganz abgesehen davon konnte man sich mit der Reverb-Einstellung „Church“ hinsichtlich des eigenen Sounds ganz schön in die Tasche lügen…

Der elektronische Begleiter ist gleich deutlich schlanker ausgefallen, funktioniert aber (mit weniger Einstellungsmöglichkeiten) genauso gut.
Der elektronische Begleiter ist gleich deutlich schlanker ausgefallen, funktioniert aber (mit weniger Einstellungsmöglichkeiten) genauso gut.

Auf beiden Fotos habe ich mit voller Absicht die Kopfhörer unterschlagen, denn nach 22 Jahren gibt es das originale Paar Kopfhörer aus der blauen Kartonage einfach nicht mehr.

So weit ragt der alte Dämpfer aus dem Schallstück der Trompete heraus...
So weit ragt der alte Dämpfer aus dem Schallstück der Trompete heraus…
...und so (wenig) weit ist es beim neuen Modell – ich habe das rechte Foto nur dazugenommen, weil man vom Dämpfer links so wenig sieht.
…und so (wenig) weit ist es beim neuen Modell – ich habe das rechte Foto nur dazugenommen, weil man vom Dämpfer links so wenig sieht.

Tja, die Länge des Dämpfers hat sich am deutlichsten verändert, denn das originale Modell ragte wirklich weit aus der Trompete heraus (je nach Schallstück 10-15 Zentimeter). Wenn man da beim Üben in einer engen Wohnung oder einem kleinen Hotelzimmer nicht aufpasste, konnte man schon einmal anstoßen – eine schmerzhafte Sache, da sich der Stoß über Instrument und Mundstück auf die Lippen und Schneidezähne überträgt… (Ich schreibe aus schmerzvoller Erfahrung.)

Ein weiterer Nachteil des weiten Herausragens des alten Dämpfermodells war, dass es gerne mal nach einer Weile des Übens (wenn sich genug Feuchtigkeit aus der Atemluft im Schallstück angesammelt hatte), herausfiel. Ich ging, nachdem mir das ein- oder zweimal passiert war, dazu über, das Verbindungskabel vom Dämpfer zum Studio noch einmal um das Schallstück der Trompete zu winden, sodass der Dämpfer im Fall der Fälle erst einmal daran baumeln konnte. Dafür wurde das Kabel dann etwas kurz… Das neue Modell sitzt so tief und stabil im Schallstück, dass ich mir darüber erst einmal keinen Kopf zerbrechen muss.

Fast 118 Gramm – kein echtes „Schwergewicht“, am Ende eines Hebels aber deutlich spürbar...
Fast 118 Gramm – kein echtes „Schwergewicht“, am Ende eines Hebels aber deutlich spürbar…
Mit 69 Gramm sogar noch unter der Herstellerangabe (vielleicht haben die auch das Kabel eingerechnet) – den Unterschied fühlt man, vor allem in Verbindung mit der neuen Form!
Mit 69 Gramm sogar noch unter der Herstellerangabe (vielleicht haben die auch das Kabel eingerechnet) – den Unterschied fühlt man, vor allem in Verbindung mit der neuen Form!

Neben der Form ist das Gewicht des Dämpfers entscheidend, hier ist der Unterschied ebenfalls deutlich spürbar: fast 118 Gramm beim alten Modell stehen nicht einmal 70 Gramm beim neuen gegenüber. Verbindet man das mit der deutlich komprimierten Form, so ist das neue Modell viel besser im Alltag einzusetzen. Das ist sinnvolle Innovation, die auf Erfahrung basiert.

Eine Sache kann ich fotografisch nicht festhalten: den Rückstau. Beim Mundstück bläst man als Trompeter komprimierte Luft in das Instrument hinein, die muss ja irgendwo entweichen. Wie genau das Silent Brass-System die Kanalisierung gestaltet, dass es ohne den sonst üblichen – und äußerst hinderlichen – Rückstau klappt, weiß ich nicht. Dennoch: Auch an dieser Front hat sich einiges getan. Um es zu testen, habe ich heute von den 40-50 Minuten Üben zuerst 35 Minuten ohne Dämpfer gespielt. Dann bin ich auf den neuen Übedämpfer umgestiegen, um den direkten Vergleich zum „offenen“ Spielen zu erfühlen. Und das hat mich tatsächlich am meisten umgehauen, denn es war so gut wie gar kein Unterschied mehr zu fühlen. Wie auch immer die das hinbekommen haben, es war ein Geniestreich!

Fazit

Ich bin derart begeistert, dass ich in den nächsten Tagen garantiert allein deswegen noch einige Male mit dem neuen Silent Brass üben werde, auch wenn ich das hier (also zuhause) gar nicht müsste. Den Machern des neuen Systems sollten ganze Generationen von Trompetern dankbar sein, denn nun kann man wirklich „immer und überall“ spielen, ohne andere Leute damit zu nerven – gerade als Student, der eventuell in einem beengten Wohnheim üben muss ist das eine fantastische Sache! Hut ab vor den Entwicklern!

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