Gelesen: Der gesamte „Erdsee-Zyklus“ von Ursula K. Le Guin

Vor einiger Zeit hatte ich schon einen kurzen Zwischenbericht gegeben (hier), mittlerweile habe ich alle sechs Bände des „Erdsee-Zyklus“ von Ursula K. Le Guin durchgelesen. Mit Ausnahme eines meiner Meinung nach nicht zwingend erforderlichen Überblicks über die in den Büchern geschilderte Welt am Ende des fünften Bands fand ich das Lese-Erlebnis durchweg angenehm. Manchmal waren die Kapitel etwas lang, was aber kein stilistisches Problem war, sondern einfach nur meiner täglichen Zeiteinteilung etwas zuwider lief – aber damit konnte ich ja leicht umgehen, Lesezeichen sind einfach zu bedienen, zur Not habe ich mitten im Absatz das zuletzt gelesene Wort markiert und das Weiterlesen vertagt.

Der gesamte „Erdsee“-Zyklus, wie ich ihn hier auf meinem iPad gelesen habe.
Der gesamte „Erdsee“-Zyklus, wie ich ihn hier auf meinem iPad gelesen habe.

Vertiefung statt Erweiterung

Was mir an der Romanreihe am besten gefallen hat, war die zunehmende Differenzierung der Fantasiewelt. Dieser Vorgang fand gleichzeitig stilistisch wie auch im Detailreichtum der geschilderten Welt statt. Und entgegen der Unart mancher Fantasy-Autoren, einfach immer neue Wesen, Völker, Gegenden etc. in ihre Welten zu werfen (ein bisschen wirkt so etwas immer wie das althergebrachte „Deus ex machina“) werden im „Erdsee“-Zyklus immer wieder jene Kulturen und Gegenden aufgegriffen, die bereits an früherer Stelle erwähnt worden waren1. Und mit jedem einzelnen Besuch wird die Welt von Erdsee ein wenig plastischer, verständlicher und auf angenehme Weise vertrauter.

Schön ist es auch, einzelne Charaktere (z.B. Ged) von ihrer frühen Jugend bis ins hohe Alter zu begleiten, denn das setzt viele Ereignisse in eine für uns Menschen leicht verständliche Zeitdimension – mir hat das zumindest sehr gefallen. Anscheinend war es auch für die Autorin selbst eine faszinierende Angelegenheit, denn sie erwähnt diesen Punkt explizit im Nachwort zum letzten der sechs Bücher.

Frauen-Power

Darüber hinaus befreit Ursula K. Le Guin mit ihrer unaufgeregten und direkten Art diese Fantasy-Romane von der sonst in diesem Genre üblichen männlichen Dominanz, lässt Fragen des ganz alltäglichen Lebens „normaler Menschen“ zum Teil wichtiger werden als den sonst üblichen Hokus-Pokus der Magier und Zauberer. Das erdet die Romane auf gleichzeitig charmante wie auch effektive Weise. Und das imponierte mir, denn es war kein verbissen dogmatisches „Hier dürfen Männer keine wichtigen Positionen einnehmen“-Gehabe, ganz im Gegenteil: Es gibt Männer, auch wichtige Handlungsträger, und das nicht zu knapp. Aber daneben agieren auch Frauen, sie geben sich nicht einfach mit einer unwichtigen Position zufrieden, streiten für ihre Sache und verkörpern ein viel gelösteres und moderneres Frauenbild als so mancher brandaktuelle Kinofilm…

Fazit

Kurz nach dem Tod der Autorin vor gut einem Jahr haben sich viele weitere Schriftsteller lobend über sie geäußert, darunter zwei meiner Lieblingsautoren: Stephen King und John Scalzi. Das brachte mich damals auf die Idee, eines der Bücher aus dem „Erdsee“-Zyklus anzufangen, weil dieser wohl am bekanntesten war. Nun habe ich die kompletten sechs Bücher gelesen, alle haben mir gefallen. Da könnten durchaus noch ein paar weitere der Autorin folgen.

Allerdings rufen gerade einige andere Bücher von meinem (virtuellen) Stapel nach meiner Aufmerksamkeit. Bereits beendet habe ich „Blackout“ von Marc Elsberg, was mir bislang ebenfalls gut gefallen hat (hier). Danach war klar, dass mal wieder ein Stephen King-Roman anstand, heute früh habe ich mit „Stark – The Dark Half“ begonnen (nach zwei Seiten Eingewöhnung hat mich die Story schon verschluckt…). Und für danach liegt schon ein älterer John Scalzi-Schmöker bereit: „Agent der Sterne“. Hm, es scheint, für die kommenden Wochen habe ich genügend Lesefutter…

  1. Erst vor ein paar Tagen fiel mir auf, dass dies auch ein Element bei vielen Science Fiction-Serien und/oder -Filmen ist. Bei Star Wars werden für meinen Geschmack nämlich zu viele neue Planeten, Völker, Kulturen etc. eingeführt (wobei sich Star Trek da auch nicht gerade rühmlich hervortut).

Gelesen: „Blackout – Morgen ist es zu spät“ von Marc Elsberg

Bereits vor Jahren habe ich einen interessanten Blog-Artikel von Zeilenende gelesen, in dem er sich sehr positiv über den Roman „Blackout – Morgen ist es zu spät“ von Marc Elsberg äußerte. Da ich auf Zeilenendes Urteil vertraute, kaufte ich das Buch im Apple Books Store – und ließ es erst einmal liegen, denn der SuB (= der „Stapel ungelesener Bücher“) war einfach zu groß, um gleich in ein neues Buch einzusteigen.

Nun, Jahre später, habe ich mir eine (kleine) Auszeit von Stephen King und John Scalzi verordnet – nicht, weil die beiden keine guten Autoren wären, sie gehören zum innersten Zirkel meiner liebsten Romanschreiber, aber man muss das Feuer ja am Laufen halten, und eine kleine Abstinenz führt dann sehr schnell zu einem gesteigerten Appetit. Also las ich zuerst die Hexalogie der „Erdsee“-Chroniken von Ursula K. Le Guin, dann „Blackout – Morgen ist es zu spät“ von Marc Elsberg, aktuell stecke ich in „Grit“ von Angela Duckworth. Danach wird es dringend wieder Zeit für einen meiner beiden oben genannten Lieblinge.

Spannend und trotz seiner Veröffentlichung vor mehreren Jahren immer noch brandaktuell: „Blackout – Morgen ist es zu spät“ von Marc Elsberg.
Spannend und trotz seiner Veröffentlichung vor mehreren Jahren immer noch brandaktuell: „Blackout – Morgen ist es zu spät“ von Marc Elsberg.

Zurück zum Buch, ich greife ein wenig in der Wertung vor: Es ist intelligent aufgebaut, schnell und packend geschrieben, in hohem Ausmaß mitreißend – kurz: fantastisch zu lesen. Und das Szenario ist leider immer noch (der Roman erschien 2011) brandaktuell, denn nirgendwo in der westlichen Welt scheint man auch nur annähernd darauf vorbereitet zu sein, einmal einen kompletten (und landes- oder gar europaweiten) Stromausfall für mehr als zwei oder drei Tage wirklich kompensieren zu können. Aber um das etwas weniger kryptisch zu machen, sollte ich wohl erst einmal den Inhalt kurz zusammenfassen.

Handlung

„Blackout – Morgen ist es zu spät“ beginnt völlig abrupt, was auch gut ist, denn mich hat das von der ersten Seite an schnell und tief in die Geschichte hineingezogen (und bis zum Ende nicht mehr hergegeben):

Von einem Moment auf den nächsten fällt in Italien und Schweden der Strom aus. Zusätzlich zu den damit verbundenen Unfällen durch urplötzlich ihre Funktion verweigernde Ampeln destabilisieren sich europaweit die Stromnetze, die bereits seit Jahren auf das Engste miteinander verbunden sind. Mitten im Getümmel ist Piero Manzano, der als IT-Experte und Hacker ziemlich bald herausfindet, dass der Smart Meter (der mit dem Internet verbundene intelligente Stromzähler) in seinem Haus immer dann, wenn kurzfristig wieder Strom fließt, einen bestimmten Zahlencode anzeigt, der sich nach Recherche als „Disconnect“-Befehl für das Stromnetz erweist: Sein Haus wird quasi mit dem neu eintreffenden Strom auch schon wieder aus dem Netz geworfen. Sofort keimt in ihm der Verdacht, dass flächendeckend die Stromzähler manipuliert sein könnten, um auf diese Weise das Stromnetz immer dann wieder zum Zusammenbruch zu bringen, wenn es frisch anspringt. Er informiert seinen Energieversorger, der ihn jedoch unverrichteter Dinge wieder vor die Tür setzt. Über einen Nachbarn, dessen Tochter beim EUMIC (dem „European Mission and Information Centre“) arbeitet, nimmt er Kontakt mit Europol auf, die dann mit etwas Nachdruck bei verschiedenen Energieversorgern nachhaken – woraufhin sich der anfängliche Verdacht bestätigt. Schon bald ist klar, dass europaweit die Stromnetze infiziert wurden, Außenstehende können das Netz in großem Umfang manipulieren.

Gleichzeitig beginnen nun an vielen anderen Standorten in ganz Europa die unterschiedlichsten Kraftwerke damit, ihren Betrieb einzustellen. Die Software, die über die Funktionalität der Generatoren wacht, gibt Fehlermeldungen und Warnungen aus, woraufhin alle Generatoren heruntergefahren werden müssen. Schon bald wird klar, auch hier wurde manipulativ eingegriffen – nur weiß niemand, auf welche Weise genau. Bei den Nachforschungen ergibt sich eine Spur zur Talaefer AG, die die Software für alle betroffenen Kraftwerke geliefert hat. Trotz eines ausgeklügelten Sicherheitssystems, das Entwickler streng von Support und Qualitätskontrolle trennt, ist es einem oder mehreren Manipulatoren gelungen, Schadsoftware einzuschleusen. Doch wie soll man die auf die Schnelle finden, wenn die Software etliche Millionen Programmzeilen umfasst, die nur mit großer Expertise und hohem Zeitaufwand Stück für Stück überprüft werden können?

Aus dieser Situation heraus entwickelt sich für Manzano, Europol und viele andere beteiligte Helfer ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel mit den Hackern, die den völligen Blackout herbeigeführt haben. Parallel desintegriert sich der Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft mit der zunehmenden Dauer des Stromausfalls, jeder denkt nur noch an sich und seine Bedürfnisse, Gewalt, Verbrechen und Brutalität nehmen zu. Wird es Manzano und seinen Helfern gelingen, die Situation zu lösen, bevor sich Europa selbst zerfleischt?

Mehr erzähle ich lieber nicht, sonst könnte ich potenziellen Lesern die Lust auf das Buch nehmen. Doch selbst wenn ich das Ende verraten würde, kann diese Zusammenfassung kaum die Spannung aus der sehr detailreichen Geschichte nehmen. Gerade die vielen zusätzlichen Hintergrundinformationen, die zunehmende Vertiefung der Charaktere, die perfekt geschilderten Reaktionen der Medien auf das Chaos und die Schilderung der sich immer weiter verschärfenden Situation muss man gelesen haben, Spoiler hin oder her…

Buch vs. Hörbuch

Ich habe – wie so oft – zuerst das Buch komplett gelesen, dann das Hörbuch angehört. Leider handelte es sich um die „billige“ (5,99 €) Version, die deutlich gekürzt ist (ich wusste es vorher, also liegt die Schuld einzig bei mir). Viele eigentlich sehr interessante und spannende Nebenstränge der Geschichte wurden völlig ausgespart, was bedauernswert ist. Wer sich also eher für das Hörbuch interessiert, sollte auf jeden Fall die deutlich teurere, dafür ungekürzte Version nehmen.

Trotz der Kürzungen ist das Hörbuch aber auch faszinierend, denn der Sprecher gibt sich unglaublich viel Mühe, die einzelnen Charaktere durch die Andeutung verschiedener Akzente voneinander zu trennen. Das erleichtert die Orientierung ungemein – außerdem bietet das eine neue Ebene, die das Buch beim normalen Lesen (zumindest für mich) einfach nicht beinhaltete.

Fazit

Nun, wie oben schon geschrieben: „Blackout – Morgen ist es zu spät“ ist ein packend geschriebener und sehr detailverliebter Katastrophenroman, der es gerade durch die vielen kleinen Informationen versteht, eine beklemmende Spannung aufzubauen, die es mir oft erschwerte, das Buch beiseite zu legen. Auch wenn das Hörbuch durch die vielen Kürzungen nicht mithalten konnte, war es gut gelesen und wäre bei Unkenntnis des ausführlicheren Romans sicher sehr spannend gewesen. Insofern kann ich „Blackout – Morgen ist es zu spät“ von Marc Elsberg allen Freunden spannender Unterhaltungsliteratur sehr empfehlen.